«Schweiz droht Entwicklung grüner Technologie zu verschlafen»
Carte blanche für Martin Wörter, ETH Zürich und Tobias Stucki, Berner Fachhochschule
07.02.2022 – Die Erforschung und Entwicklung neuer grüner Technologien geht nur schleppend voran, wie weltweit erhobene Zahlen zu neu eingereichten Patenten zeigen. Auch in der Schweiz: Sie schafft es nicht einmal in die Liste der Top 10. Nun ist es an der Politik, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen.
Der Beitrag gibt die persönlichen Meinungen der Autoren wieder und muss nicht mit der Haltung von SCNAT übereinstimmen.
Seit dem Übereinkommen von Paris haben viele Staaten versprochen, bis 2050 unter dem Strich keine CO2-Emissionen mehr auszustossen – darunter auch die Schweiz. Ein jüngst veröffentlichter Bericht der International Energy Agency legt jedoch nahe, dass mit den existierenden grünen Technologien, zusätzlichem Recycling und Verhaltensänderungen der Gesellschaft das gesteckte Ziel kaum zu erreichen ist. Die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien, mit welchen CO2 vermieden oder gar aus der Atmosphäre zurückgeholt werden kann, ist deshalb gefragt.
Doch die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich ist ins Stocken geraten. Dies zeigen weltweit erhobene Zahlen für neu eingereichte Patente der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). So stagnierten seit 2011 die Anmeldungen für Patente für fast alle Bereiche grüner Technologie – und seit 2016 sind sie sogar leicht rückläufig. Der negative Trend deutet darauf hin, dass es für Unternehmen schwieriger und kostspieliger geworden ist, grüne Technologien zu erforschen und zu entwickeln. Gründe dafür könnten unter anderem unzureichende politische Rahmenbedingungen sowie fehlende Marktanreize sein.
Wie sich gute Rahmenbedingungen auswirken können, konnte ab 2005 in den USA beobachtet werden: Mit der Einführung politischer Fördermassnahmen kam es dort zu einem Entwicklungsschub bei den grünen Technologien. Und: Unternehmen in diesem Bereich wurden fortan von den Finanzmärkten auch positiver bewertet. Die USA befindet sich heute unter den zwölf führenden Ländern, die Patente für Technologie zur Eindämmung des Klimawandels hervorbringen. Nicht auf dieser Liste vertreten ist die Schweiz. Dabei hätte sie die besten Voraussetzungen, um ganz vorne mitzumischen: Spitzenforschung, spezialisierte Unternehmen und sehr gut ausgebildete Fachkräfte.
Gute Rahmenbedingungen schaffen
Die Kosten für die Erforschung und Entwicklung neuer – darunter auch grüner – Technologien finanzieren Schweizer Unternehmen zum grössten Teil aus unternehmensinternen Quellen. Die finanziellen Spielräume sind jedoch aufgrund der negativen Auswirkungen der Pandemie bei vielen Unternehmen eingeschränkt, umso dringender erscheint es, mit wirtschaftspolitischen Massnahmen die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Dazu eignen sich einerseits Massnahmen, welche die Nachfrage nach grünen Technologien ankurbeln. Dies führt zu einer grösseren Verbreitung bereits existierender umweltfreundlicher Technologien und stimuliert dabei aber auch die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Instrumente, die sich hierfür eignen, sind etwa Regulierungen, Lenkungsabgaben, Emissionshandelssysteme, Labels oder Informationsmassnahmen.
Andererseits braucht es aber auch Massnahmen, welche direkt die Forschung und Entwicklung in Unternehmen unterstützen. Dazu kann der Bund Firmen finanziell, etwa durch Subventionen, unterstützen. Weiter sollte er die Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Firmen und zwischen Hochschulen und der Privatwirtschaft fördern und so den unternehmensinternen Aufbau von Know-how vorantreiben.
Wirtschaft stärken und Klimaziele erreichen
Ein gut austarierter Mix von Massnahmen ist zentral, damit die Entwicklung neuer grüner Technologien vorangeht. Dies geht auch aus einer Studie zu umweltfreundlichen Technologien hervor, bei der Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden, wie sie auf verschiedene Massnahmen reagieren würden. Die Analyse der Antworten zeigte, dass Massnahmen wie etwa Abgaben auf fossilen Brennstoffen zwar dazu anregten, umweltfreundliche Energietechnologien im Unternehmen einzuführen, dass aber durch diese Investitionen die finanziellen Mittel für die Erforschung und Entwicklung neuer grüner Technologien fehlten. Daher ist es wichtig, dass nebst Massnahmen, die die Nachfrage nach grüner Technologie ankurbeln auch solche ergriffen werden, welche direkt die Forschung und Entwicklung unterstützen.
Gelingt es der Schweiz, die Entwicklung von neuen grünen Technologien voranzutreiben, so profitiert sie in Zukunft gleich doppelt: Zum einen kann sie ihre CO2-Emissionen senken, zum anderen stärkt sie dadurch auch den eigenen Wirtschaftsstandort – denn umweltfreundliche Technologien werden in Zukunft mehr und mehr gefragt sein.
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Martin Wörter ist Titularprofessor an der ETH Zürich und Leiter der Sektion Innovationsökonomik der Konjunkturforschungsstelle KOF.
Tobias Stucki ist Professor an der Berner Fachhochschule für Wirtschaft und Co-Leiter des Instituts Sustainable Business.
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